16
kaufte Schweine nach Ars a. d. Mosel fahren. Es war im Februar
an einem Donnerstag. Die Erde war mit Schnee bedeckt. Als
wir hinter Gravelotte an den Wald kamen, sagte mein Vater:
„Leon, une pie!“ Ich stieg nun mit einem Satz vom Wagen herunter,
ergriff den Vogel und rief: „Elle est morte de faim!“ Ich nahm
den Vogel mit nach Ars und wieder heim; denn der Vogel hatte
so schöne glänzende Federn! Zudem kam noch der Umstand, daß
ich einige Monate vorher (in den Ferien) im Metzer Museum war
und dort eine Menge Vögel gesehen hatte, ich wollte nun die tote
Elster auch so präparieren und kurz entschlossen nahm ich der-
selben die Därme heraus, füllte das Innere und den Schnabel
mit Salz — auf diese Weise werden ja auch die dicken Schinken
konserviert, dachte ich — und nähte den Leib wieder zu. Ich
stellte dann den Vogel auf die Kommode! Ach der schöne Vogel!
Aber siehe, im Frühjahr fing er doch an in Verwesung überzu-
gehen, denn im Kopfe war noch das Gehirn, die Beine und
Flügel hatte ich nicht gesalzen usw. Kurzum, der schöne Vogel
mußte begraben werden.
Jahre vergingen, ich widmete mich dem Studium, kam
nach St. Johann a. d. S., nach Blieskastel und Speyer, dann
in die Praxis. Im dritten Jahre derselben, im Dezember 1904,
brachte mir ein Schüler ein schönes Wiesel im Winterkleid, ein
Prachtexemplar! Ich war begeistert und entzückt. Den schönen
Pelz mußt du haben, dachte ich. Ich ging sofort nach Schulschluß
an die Arbeit und fing an, abzuziehen, wie man Hasen abzieht.
Kaum war die Arbeit begonnen, kam mir wie ein Moschusgeruch
in die Nase, ich fing an zu spucken, mich fast zu brechen, ich mußte
nachlassen und ließ das Wiesel am Schnlschrank hängen, ging an
die Luft und dann zum Mittagessen. Ich, der schon mehr als
25 Hasen abgezogen hatte und nicht besonders empfindliche
Geruchsnerven habe, konnte gar nicht begreifen, daß mich ein so
kleines Tier aus dem Schulsaal vertreiben konnte. Nach dem
Essen ging ich sofort ans Werk und fing an zu untersuchen. Siehe
da, ich entdeckte am After zwei Drüsen, welche ich mit meinem
Messer durchschnitten hatte und den sonderbaren Geruch ver-
ursachten. Ich entfernte sorgfältig diese Stinkdrüsen (ein Ver-
teidigungsmittel bei allen Marderarten) und konnte dann ruhig
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46
Wenn im ersten Jahrgang alle Laute richtig erfaßt finb,
dann werden sie miteinander verbunden, es werden Wörter-
gruppen gebildet. Wir suchen Wörter mit R als Anlaut: Rose,
Rosa, Rind, Rudolf, Regina, Richard, rot: als Inlaut: hören,
Haare, turnen, schreiben usw.
Wir bilden Wörter mit Pf als Anlaut, für uns Pfälzer ist
es eine wichtige Übung, da pf selten gesprochen wird. Z. B. Pfalz
(Palz), Pfarrer, Pfanne, Pfahl, Pfropfen: als Inlaut: rupfen,
zupfen, Zapfen, klopfen; als Auslaut: Rumpf, Strumpf, Sumpf
usw.
Dann folgen Übungen mit dem weichen und harten „ch".
Deutlich sprechen: ich, dich, sich, mich, nicht, Licht, frech, Blech,
Rechen, Bücher, Tücher, Dächer, rechnen usw.
Dann: ach, Sache, lachen, machen, Buch, Tuch, doch,
Docht, Loch, Fach, Tochter.
Dann folgt die Unterscheidung: Dach — Dächer; Tuch —
Tücher; Fach — Fächer; Tochter — Töchter; Buch — Bücher;
Loch — Löcher usw.
Es folgen dann Übungen mit g. Regen, Degen, Magen,
liegen, biegen, Berg usw.
Unterscheide zwischen: Regen und Rechen; liegen und Licht;
Magen — machen; Magd — Macht; Sage und Sache usw.
Bei diesen Übungen und ähnlichen sind die Kinder sicher
geistig tätig.
5. Aufsatz.
Motto: „Der Aufsatz ist der Prüfstein für das
Ergebnis des gesamten Unterrichts."
Das Endziel des Aufsatzes ist der freie Aufsatz. Aber
derselbe wird nicht auf einmal, sondern nach und nach erreicht.
Wie soll man nun verfahren? Wie sollen Aufsätze vor-
bereitet werden?
Manche wollen alle Fehler verhüten. Alles wird richtig
gestellt und an die Tafel geschrieben, damit nur ja keine Fehler
Vorkommen. Ich möchte bemerken, daß ein Schüleraufsatz ohne
Fehler kein Aufsatz ist.
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— 252 —
Hohenlohe-Brauneck, die später von dem Rittergeschlechte der Seinsheim abgelöst wurden (am Anfange des 15. Jahrhunderts).
Um für die Seinsheimische Schutz- oder Oberherrschaft Anschauungen zu sammeln, stehen wir eines Tages vor dem dreifachen Ritterdenkmale in unserer Kirche. Ich habe mir den Vorgang einer solchen Betrachtung sofort nach vollzogenem Ausgange niedergeschrieben, kann ihn also hier wiedergeben wie solgt:
Abb. 38. (Kinderzeichnung.)
Wir stellen uns in gemessener Entfernung vor dem ziemlich hoch oben in die Wand eingelassenen Denkmal auf. Mir ist es wohlbekannt, darum kann ich mich mit dem Rücken gegen die Wand vorläufig meinen Schülern zuwenden. Wohl haben es die meisten während der Gottesdienste schon gesehen, weil ich sie aufmerksam gemacht hatte; sonst sind die Anschauungen oft recht dürftig. Nun lasse ich sie zuerst still betrachten, etwa 2 Minuten lang. Sie sind alle, wie ich mit Befriedigung sehe, mit Interesse bei der Sache. — So, nun was hat euch gefallen? — Bunte Antworten: Die Ritterfrau, die drei Figuren, der junge Ritter, der Säbel. Ich wünsche nun mit Absicht Einzelheiten. Es ist oft possierlich, was den Schülern besonders gefällt.
„Een Lehrer, das Eündle, das unter dem Schemel vorguckt — Mir der Löwenkopf — Mir gefallen die Achselklappen
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— 254 —
Und nun zu den einzelnen Gestalten! Die Rittergestalten zuerst. Fangen wir unten an! Schuhe ohne Absatz, aber mit langen Sporen. Halt, hier der Riemen!
„Das ist wie leiden Soldaten — H. L., damit werden die Gamaschen gehalten.“
Ist scharf beobachtet. Da die Ringe am Knie? Eiserne Rüstung. Band am Knie. Was aus dem Panzer herausschaut! Die Wamsärmel. Um den Hals? Eine Kette.
, ,H. L., daran hängt etwas y ein Vogel ist drauf.11 ^ou einen (Schwan bedeuten; das ist der Schwanenorden. Auf der Schulter der Spangenorden. Offnes, langes, gelocktes Haar. Kopfbedeckung? — Der geschlossene Helm auf dem Betschemel. Wie er die Hände faltet! Dazwischen? Rosenkranz. Worauf sie aufliegen? Auf dem Betpult. Unter dem Schemel Löwenkopf. — Aehnlich berfahren wir mit Philipp.
Die Frau. Sie kniet auch. Langer, herab wallender Mantel; biele Falten. Ernstes Gesicht; Nonnenhaube, Witwenband um das Kinn.
„H. L., zwischen ihren Händen hält sie e Batterie.11
Richtig, Batterie, abgeleitet bort Pater (Vaterunser). Betpult. Unter dem Schemel lugt ein Hundskopf heraus. Warum wohl hier Hund, dort Löwenköpfe?
Zum Schluffe noch flüchtig die Wappen; das Seinsheimische kennen die bont 5. Jahrgang schon.
Wir ziehen heim. Hat es euch gefallen? Die strahlenden Gesichter berkünden es. Könnt ihr darüber schreiben? Ja, ja!
Wie das gewirkt hat, muß ich an einem Beispiel zeigen. Derselbe Knabe, der schon im 4. Jahrgang sich mit ganz besonderem Interesse der geschichtlichen (und ebenso der naturgeschichtlichen) Forschung hingegeben hat, schreibt einen prächtigen Aufsatz; ich will aber doch noch ausdrücklich betonen, daß die Aufsätze zwar kurz angeregt, aber von den
Abb. 39. (Kinderzeichnung.)
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Extrahierte Personennamen: H._L. Rosenkranz Philipp Philipp
— 258 —
waren bemalt, nur eine nicht An der einen Wand kämpften zwei Ritter miteinander. An der andern stritten wieder ein Ritter und ein Mann. Dieser Mann hatte auf seiner Hand einen Halbmond liegen. Mit einem roten Gewand war er gekleidet. Sein Kinn war mit langen, roten Haaren bewachsen. Auch sein Kopf war mit roten Haaren bewachsen. Ich sagte: „Das wird der Berggeist Rübezahl sein!“ Ueber einem kleinen Türbögelein war ein langer Zug Leute. Ich sagte zu mir: ,,Das wird eine Prozession sein. Als wir alles betrachtet hatten, bedankten wir uns und verließen das Schloß
Leider habe ich das selbst noch nicht gesehen; ich lese also in dem Werke über die „Kunstdenkmäler von Unterfranken und Aschaffenburg"*) Heft Ii nach:
„Die übrigen Wände — sind bemalt. Auf weißem Grunde farbiges Laubwerk, aber auch figürliche Motive: Goliath und David, Samson mit dem Löwen, Auferstehung Christi und jüngstes Gericht: ferner einige halblebensgroße Personifikationen: Sol, Luna, Mars, Merkur, durch gemalte Renaissancesäulen getrennt. Interessante, dekorativ-handwerkliche Arbeiten der Frührenaissance, vielfach beschädigt "
Natürlich berede ich mich mit Christian.
Der Auszug aus dem Aufsatz ist ein Beispiel aus vielen dafür, wie meine Schar in der Zwischenzeit tätig ist; auch eine Menge charakteristischer Zeichnungen läuft ein.
Für die eigentliche geschichtliche Behandlung meines Gebiets liegt nun viel Stoff bereit, wozu ich nicht viel zu ergänzen brauche, worunter das wichtigste ist, daß der Domherr Michael im Jahre 1517 im Einverständnis mit seiner Schwester „auf die Freieigenschaft des Dorfes Untern-breit verzichtet" und dasselbe dem Bischof „Söhnen und Töchtern zu leihen aufgetragen" hat. Das Lehenswesen im kleinen (s. „Flayders Haus", das ein Brandenburger Lehen war, S. 90) erläutern wir uns an einigen kennzeichnenden Beispielen. Wir erörtern ganz kurz die Befugnisse der Oberherrschaft, auf die wir im Kapitel über das Gerichtswesen noch einmal zu sprechen kommen, und schließen allmählich das interessante Gebiet ab. Ich erwähne noch besonders, daß der 5. Jahrgang noch bis ans Ende der Seinsheimischen Herrschaft (1635) hinaus-
*) München, R. Oldenbourg, 1911; S. 247.
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Extrahierte Personennamen: Rübezahl David David Christi Christian Michael
Extrahierte Ortsnamen: Unterfranken Luna Oldenbourg
— 263 —
Auch sonst mangelt es nicht an Quellen, Einblick in das bürgerliche Leben zu bekommen. Aus dem Ende der Dorfzeit haben sich noch Vermächtnisse, Verträge, Teilungsniederschriften und vor allem Verzeichnisse der Haus- und Feldgeräte, insbesondere auch von Kleidungsstücken, herüber gerettet. Das sind lauter Dinge, die den Unterricht anschaulich beleben.
Wir freuen uns, wenn Ausdrücke, die heute noch im Volksmunde gebräuchlich sind, aus der Vergangenheit emporquellen. Und wie staunen wir, wenn wir von Dingen hören, die heute längst kein Bürger in seinem Hause hat und wie bemühen wir uns, Ausdrücke, die uns ganz fremd geworden sind, zu enträtseln! Ein anschauliches Bild über das Hauswesen gewinnen wir aus dem
„ Inventarium der verlassen Hab und Guet Hansen Heberleins und seiner ehelichen Hausfrauen mit Namen Elisabeth ...
Erstlich in der Stuben: 2 verschlossene Tische und 2 Register über die Eynung, auch etlich Brief; 3 Ablaßhahnen, guet und bös; 5 Schenkhahnen und etlich Schnitthoppen, auch alte neue; 4 beschlagene schlechte Löffel; 1 Siedeln unverschlossen; 1 Gießbehälter, borin. etliche Gleser; 2 Faulbett; 1 Gießfaß famt einem küpfern Becken; 1 Buchsen mit Löffeln buchsbaumen; 2 zinnene Salzfeßlein; 2 Ben! mit Schrannen; 3 schleckte Benk; 1 Sesseln; 1 kleine Sideln; 1 Mörser.
Folgt in der kleinen Stuben: 1 Arrnbrüstwinden; 1 Behelter dorinnen; 1 schlechts Seil, domit man Heu und Stroe zeucht.
Folgt in der Kammern: 9 Unterbett mit kölischen Ziechen; 1 Unterbett in einer weißen Ziechen; 3 Unterbett mit schlechten Ziechen; 3 gute Deckbett; 3 schlechte Deckbett; 7 guete Psulm mit kölischen Ziechen; 2 schlechte Psulm; 5 Küssen mit kölischen Ziechen; 2 Küssen mit einer weißen Ziechen; 1 Harnischs Rück und Krebs; 1 Ringkragen; 1 Armschienen; 12 Paar siech-sener Leilacher; 8 Paar grober Leilacher; 6 Tischtücher; 6 Handswelen; 1 silberen hohen Becher; f Stück von einer schwarzen Leinbet; 1 Schleier mit einer gülden Leisten; 1 rote sam-ntete gurtet mit zweien bergüldten Senkeln silbern, Hot Wilhelm; 1 Korellen-Paternoster und etliche kleine Korellein, ungefaßt, hat Wilhelm; 1 weiß Goller mit einem gülden Kragen und mit 3 silberen Schüsselein; 1 Halshemede mit einem breiten schwarzen Borten; 1 schwarze sattinene Schauben
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Extrahierte Personennamen: Hansen_Heberleins Wilhelm Wilhelm
— 171 —
„Ich sehe die Fahne des Wolfgang Groe.
Ich stehe in der evangelischen Kirche. Da sehe ich auf einmal eine Fahne. Sie ist die sogenannte Schwedenfahne. Sie hängt unter der Orgel. Ich nehme sie jetzt herunter und betrachte sie. Die Stange der Fahne ist unten spitzig. Ferner ist auch noch unten ein Griff. Dann ist die Stange nach oben gerippt. Auf diesem oberen Teil ist eine alte, zerrissene Fahne befestigt. In der Mitte derselben ist ein eiförmiges Leder. Auf diesem ist nach unten ein Schild mit einer Krähe darauf. Dann ist darüber ein Helm mit allerlei Verzierungen. Ueber diesem Helm ist ein Männchen, welches zu beiden Seiten eine Schaufel hat. Ueber diesem Wappen steht der Name Wolf-gang Groe. Dieser Wolf gang Groe war ein tapferer, branden-burgischer Hauptmann. Nach dem Kriege kam er gesund wieder hier her. Bald darauf aber wurde er krank und verschied. Seine Leiche wurde nach der Kirche gebracht und wurde daselbst begraben. Dann wurde diese Fahne in der Kirche auf gehängt. Sie ist jetzt 301 Jahr alt.11*) F. P. Iv.
Während der Aufsatzstunde hat sich etwas Interessantes zugetragen; ein Zeugnis dafür, wie man selbst als Lehrer manchmal so befangen ist. Das Wappen auf der Fahne war natürlich für meine Schar eine rechte Freude. Das Männlein! Die 2 Schaufeln (Spaten)! Der Vogel! Sie fragen mich: H. L., was für ein Vogel? Wie sollen wir schreiben? Einer meint: Ein Vogel so groß wie eine Taube. Stimmt! Nun lese ich den Aussatz eines sonst gar nicht so hervortretenden Schülers, und siehe, der schreibt, auf dem Wappenschild wäre eine Krähe. „Wer hat dir das gesagt?" „Keins." — „Wie bist du darauf gekommen?" — „Ich hab mir gedacht, weil der Hauptmann Groe heißt." — „Das war brav gedacht, mein Lieber!" Stille, befriedigt setzt er sich; aber ich verkünde sein Lob doch vor der Klasse. Allen sind jetzt die Schuppen von den Augen gefallen, alle wissen jetzt, was ihnen schon bekannt war, nämlich, daß Schultheiß Niklaus, der im Krähenwirtshaus vorn am Eck der Badgasse gewohnt hatte, eben Groe — Krähe hieß. — Will man es den Schülern verdenken, wenn sich manchmal etwas nicht ans der Tiefe des Bewußtseins heraufheben will? Wie die innere Gestaltungskraft wächst durch anschaulichen Unterricht, das möge dieser Aufsatz beweisen:
*) D. H.: So lange hängt sie in der Kirche.
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— 194 —
von sich gegeben. — Unterdessen hatte sich die ganze Bürgerschaft auf dem Markt mit ihrem Gewehr versammelt, von welchem sie alsdann auch in guter Ordnung mit dem Trommelschlag gegen das Rathaus gezogen, daselbsten ihre Salven als Freudenzeichen zu unterschiedlichenmalen gegeben, welchen, etliche Doppelhaken respondieret. —" (P. S. 164.)
Kommt noch Weck- und Weinausteilung und Mahlzeit, „wozu auch Kirchen- und Schuldiener invitirt waren."
Wir versetzen uns hinein in die Vergangenheit, und daß es gelungen, das lesen wir aus den merkwürdig selbständig erfaßten, nicht wiedergekäuten Aufsätzen.
„Das große Friedensfest (1650).
1. Der Kinderzug.
Es ist am 11. August. Schon nach dem Mittagsgottesdienst soll der Kinderzug stattfinden. Ich freue mich sehr darauf und kann kaum die Zeit erwarten; denn ich bin auch dabei. Jetzt ist der Gottesdienst aus und es ist schon 3 Uhr. Wir haben schon bestimmt, daß wir uns um diese Zeit im Kirchhof versammeln sollen. Unser Herr Lehrer ist auch schon da. Wir haben uns alle festlich gekleidet. Wir Mägdlein haben Kränze auf dem Kopfe, welche aus Blumen und Blättern geflochten sind. Jetzt stellt sich der Zug in Reih und Glied wie die Soldaten auf. Voran schreitet ein Jüngling. In seinen Händen trägt er ein Birkenbäumchen. Dieses ist mit Bändern und anderen Verzierungen geschmückt. An den Zweigen hängen Früchte. Ihm folgt eine Schar von Knaben und diese sind in allerlei Trachten gekleidet. Der eine stellt den Kriegsgott, der andere die Eintracht usw. vor. Dann kommen die kleinen Knaben und wir Mägdelein. Auf Befehl unserer Herrn Lehrer bewegt sich der Zug. Natürlich strahlen unsere Gesichter vor Freude. Wir ziehen in einem langen Zuge durch die Straßen und Gassen des Städtleins. Die Leute schauen zu den Fenstern heraus und stehen zum Teil auch auf den Straßen und unter den Haustüren. Sie haben große Freude an uns. Jetzt haben wir schon alle Straßen durchzogen-und deswegen marschieren wir an das Rathaus. Wir winden uns die Wendeltreppe hinauf in den Rathaussaal. Hier sind'.
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— 211 —
Wunsche die Worte: „Hier liegt die arme Sünderin Eleonore, betet für sie!"
Gerne lauschen die Schüler auf solche Züge des menschlichen Lebens und sowohl der trostlose Kaiser als die edle Eleonore graben sich ein in ihr Gemüt.
Nun ist's Zeit, daß wir das „Fürstenzimmer" verlassen.
26. Ergänzende Besichtigung auf dem Rathause.
Weil wir einmal im Rathause sind, nützen wir unsere Zeit aus. Also hinüber ins sog. Bibliothekzimmer, wo die alten Bürgerfahnen und anderes stehen.
Mein neugieriges Volk drängt; ich brauche darum alle Ruhe. Da ist nun die Narrenkappe mit zwei Schellen, die uns zuerst beschäftigt. Gerne erbietet sich ein Schüler, sie sich aufsetzen und den Ring um den Hals schließen zu lassen.
Ich lasse gleich hier einfließen, wie ein Schüler sich in einem Aufsätzchen in die Vergangenheit versenkt hat:
„Ich sehe einen Mann mit der Narrenkappe.
Ich gehe eben spazieren. Auf einmal höre ich etwas schellen. Gleich drehe ich mich um. Da sehe ich einen Mann, welcher die Narrenkappe auf dem Haupte hat. Viele Kinder laufen ihm nach und lachen ihn tüchtig aus. Nun laufe ich auch nach.
Oesters schüttelt er den Kopf, daß die leiden Schellen tüchtig klappern.
Viele Leute schauen aus denfenstern und lachen ihn aus. Nun springt der Mann ins Rathaus.11,
J. St. V.
Darnach richten wir unsere Blicke hinauf auf ein Regal. Da steht noch eines der 3 Fläschchen, die man i. I. 1607 in den Grundstein des Lateinschulhauses gelegt hatte. „Mtroff" hat man sie geheißen.
Die absonderliche Form erregt Interesse.
Es ist immer noch ein Rest von dem „Wein"
14*
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— 283 —
3. Wenn einer gefangen wird, so soll man ihn halten bis an den 3. Tag. Wird er von der Anklage befreit, so mag ihn die Herrschaft um Geld oder sonst auslösen, mit dem Hals hinwegführen oder in den Turm werfen und mit ihm tun, wie sie will; der Zent ist sie nichts schuldig.
4. Wird er aber nicht ausgeteidingt, so soll man ihn am 3. Tag nachmittags nach Ochsenfurt überantworten auf die Zent. Sobald man ihn bringt, sind seine Frevel der Zent verfallen.
Das ist wohl nicht alles, aber vollkommen ausreichend. Der Zentturm am Rathaus (1496) ist ihnen bekannt; er gewinnt nun ganz andere Bedeutung.
Ueber den Gang der Verhandlungen brauchen wir uns nicht weiter zu verbreiten; wir denken an die Mgegerichte und merken, daß Kläger und Beklagter Fürsprecher hatten.
B. Vergleiche: 1. Rügegericht — Zentgericht.
2. Niedernbreit — Ochsenfurt.
3. 12 Schöffen aus Niedernbreit — 12 aus den neun Orten der Zentgemeinschaft.
4. Gewöhnliche Frevel — Verbrechen.
5. Der Schultheiß oder Gerichtsherr — der Zentgraf.
6. Buße — ?
Wie wurden die Verbrecher bestraft? Ich mag's nicht ausmalen, deute nur an: Sie wurden auf dem unteren Viehwasen mit Schwert, Strang oder Wasser gerichtet. Der Scharfrichter vierteilte, radbrechte, riß mit Zangen, schleifte, verbrannte, spießte, pfählte, begrub lebendig, brach Augen aus, schnitt Ohren oder Zungen ab, brannte Löcher in die Stirn oder durch die Backen, haute Hände und Füße ab, strich mit Ruten usw. O weh! Folterkammer zu Nürnberg. Der 5. Jahrgang denkt an die Gerichtsbarkeit in der Marktzeit (Galgen auf dem Galgenberg, Narrenkappe im Rathaus).
C. Niedere und hohe Gerichtsbarkeit. Frevel und Verbrechen. Rügegericht; Zentgericht, Blutbann. Zentgraf, früher Gaugraf. Ochsenfurt der Hauptort des alten Badenachgaus. Zent von centum = 100.
D. Beobachtung unseres modernen Gerichtswesens. Richtig handeln und leben, um frei vom Gericht zu sein. Zeugenaussage vor Gericht (Eid). __________
Das Gebiet schien mir wichtig genug, daß ich es ziemlich gründlich behandelt habe. Die letzten Stücke kann ich wieder nur kurz umreißen.
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Extrahierte Personennamen: Beklagter_Fürsprecher Niedernbreit C.